IZ-Kolumne von Lutz Minkner November 2023
Pedro Sánchez: der Artist in der Zirkuskuppel – ratlos, auch skrupellos?
In meiner Kolumne in der Oktoberausgabe der INSELZEITUNG hatte ich mich unter dem Titel „Machterhalt mit Unterstützung eines flüchtigen Verfassungsfeindes: Pedro Sánchez spielt mit dem Feuer!“ mit den Erpressungsversuchen der katalanischen Verfassungsfeinde befasst, die Sánchez ihre – zur Wahl als Ministerpräsident notwendigen – Stimmen nur gegen Amnestie, Straffreiheit und mindestens Signale für eine Unabhängigkeit Kataloniens geben wollen. Die Gespräche werden noch immer hinter verschlossenen Türen geführt, aber die Separatisten dröhnen schon, „man sei auf einem guten Weg“.
Auch andere potenzielle Bündnispartner einer Sánchez-Koalition erkennen ihre Stärke und stellen Forderungen. So das Linksbündnis Sumar, dem auch die linkspopulistische Partei Podemos angehört. Es fordert nach dem brutalen Überfall der islamistischen Hamas auf Israel die sofortige und bedingungslose Anerkennung Palästinas und löst damit eine Regierungskrise in Spanien aus. Die Podemos-Generalsekretärin und zugleich geschäftsführende Ministerin für soziale Rechte Ione Belarra tat sich besonders hervor, und erklärte, dass „in den spanischen Medien absolute Einstimmigkeit zu Gunsten Israels herrsche und dass die palästinensische Sache in den Printmedien kaum Platz einnehme“. Sie warf Israel „Völkermord“ vor. Israel habe den Willen, das palästinensische Volk zu vernichten. Belarra forderte, Benjamin Netanjahu vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen und notfalls die diplomatischen Beziehungen zu Israel einzufrieren.
Dies löste einen politischen Eklat aus. Der israelische Botschafter in Spanien verurteilte scharf „die jüngsten unmoralischen Erklärungen einiger Mitglieder der spanischen Regierung“. Damit meinte er nicht nur Ione Belarra, sondern auch die amtierende Arbeitsministerin Yolanda Díaz und den amtierenden Verbraucherminister Alberto Garzón von der Izquierda Unida, die sich ähnlich wie Belarra geäußert hatten. Er rügte weiter, dass einige Elemente der spanischen Regierung die Sicherheit der jüdischen Gemeinden in Spanien gefährden würden. Er forderte Pedro Sánchez auf, die beschämenden Aussagen eindeutig anzuprangern und zu verurteilen. Sánchez versuchte daraufhin abzuwiegeln und erklärte „Wir verurteilen ohne Umschweife den Terrorismus und fordern die sofortige Beendigung der wahllosen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung“. Und weiter: „Die spanische Regierung weist die im Kommuniqué der israelischen Botschaft über einige ihrer Mitglieder zum Ausdruck gebrachten Unwahrheiten kategorisch zurück und akzeptiert keine unbegründeten Unterstellungen über sie. Jeder politische Beamte kann als Vertreter einer politischen Partei in einer vollwertigen Demokratie wie Spanien frei seine Position äußern“. Nun – Entschuldigung und Verurteilung geht anders.
Ministerin Ione Belara legte dann noch einmal nach „Wir müssen unsere Stimme erheben, um diesen Völkermord ein für alle Mal zu stoppen“. Niemand leugne den Schmerz über den Tod israelischer Zivilisten. Israel ignoriere aber den Schmerz der Palästinenser, ignoriere die mehr als 1.600 Palästinenser, die in Gaza bombardiert wurden. Belarra wies auf abweichende Meinungen von Sánchez und dem spanischen Außenminister hin, rechtfertigte ihre öffentlichen Äußerungen außerhalb ihres Ressortbereichs aber mit folgenden Worten: „Ich bin eine Ministerin dieses Landes, weil ich Generalsekretärin von Podemos bin und Millionen Menschen bei den Wahlen für uns gestimmt haben. Es sei deshalb eine Anomalie, dass die PSOE (sozialistische Partei von Sánchez) alle Befugnisse der Außenpolitik an sich reißt und sie nicht mit dem Minderheitspartner vereinbart“.
Nun sah sich auch der derzeitige spanische Außenminister José Manuel Albares veranlasst, mäßigend einzugreifen und erklärte: „Die Regierung als Ganzes wiederholt die Notwendigkeit, die palästinensische Bevölkerung von der Terrorgruppe Hamas zu unterscheiden. Es ist notwendig, die Zivilbevölkerung von Gaza zu schützen und die Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Die gesamte Regierung sehe die einzige gangbare Lösung zur Erreichung einer Situation des Friedens und der Stabilität in der Region in der Bildung zweier Staaten, die in Frieden und Sicherheit koexistieren, so wie es auch von den Vereinten Nationen gefordert werde“.
Fazit: Bei solchen Freunden braucht man keine Feinde. Pedro Sánchez schwebt als Artist in der Zirkuskuppel umgeben von erpresserischen Partnern zwischen Ratlosigkeit und Skrupellosigkeit. Keine guten Aussichten für eine Regierungsbildung, keine guten Aussichten für die spanische Demokratie.
Lutz Minkner ist Managing Partner des Immobilienunternehmens Minkner & Bonitz.
Er blickt auf eine 45 jährige berufliche
Tätigkeit als Rechtsanwalt, Dozent, Fachbuchautor und Unternehmer zurück.
www.minkner.com