IZ Serie Mallorcas Marktplätze – Manacor – Wo Büstenhalter unter Tamarinden hängen
Nein, von so einem Platz habe sie noch nie gehört, und sie müsse das doch wissen, schließlich verkaufe sie hier auf dem Markt schon seit Jahrzehnten Gardinen, Decken, Bettwäsche, Büstenhalter, Reiz- und Unterwäsche.
Es ist kurz nach neun an diesem Montag Vormittag im Zentrum von Manacor, und der Autor dieser Zeilen hat so langsam die Nase gestrichen voll. Grund für den morgendlichen Frust ist die bis dato vergebliche Suche nach einer „Plaza de Ramon Llull“, die sich nach Auskunft unseres Smartphone-Navi-Apps genau unter unseren Füßen befinden müsste, von deren Existenz jedoch scheinbar keiner der Standbetreiber auf dem sich über mehrere Straßenzüge erstreckenden Wochenmarktes jemals etwas gehört haben will. Unsere Verwirrung wird noch größer, als wir inmitten des Wirrwarrs aus feilgebotenen Sonnenbrillen, ökologischem Bienenhonig, gefälschten Louis-Vuitton Taschen, hausgemachtem Ziegenkäse, mallorquinischen Küchenmessern, asiatischen Billig-Klamotten, afrikanischen Ledergürteln und anderem Plunder die Büste eines finster dreinblickenden Mannes entdecken. Schaut dort vielleicht gerade Mallorcas Universalgenie Ramón Llull vom Sockel? Fehlanzeige. Antoni Alcover steht unter der Bronze-Büste, Schriftsteller und illustrer Sohn der Stadt. Grrr…
Jeden Montag Schnäppchenmarkt
Zeit also für einen Beruhigungstee. Doch genau auf dem Weg zur nächstbesten Bar passiert es: Wir entdecken an einer Hausfassade ein Keramikschild mit der Aufschrift „Plaça de Ramon Llull“. Und direkt darunter: „Plaça Mercat – Nombre Popular“. Und jetzt die Auflösung auf Deutsch: Offiziell heißt der Platz zwar „Plaza de Ramon Llull“, bekannt ist er aber (wohl fast nur) unter dem schlicht und ergreifenden Namen „Marktplatz“.
Wo Ochsen und Esel einst sauften
Was ja auch Sinn macht, schließlich findet hier jeden Montagvormittag von 8 bis 13 Uhr einer der – zumindest an seiner Ausstellungsfläche gemessen – größten Schnäppchenmärkte der Insel statt. Wer beispielsweise nach T-Shirts, Hemden, Hosen, Kleidern, Schuhen oder anderen Textilien zu Dumpingpreisen sucht, dürfte auf dieser Plaza fündig werden.
Das war nicht immer so. Noch bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts wurden hier jede Woche im Schatten der Tamarindenbäume vor allem Kühe, Pferde, Esel und Ochsen zum Verkauf angeboten. Das große, rechteckige Wasserbecken am unteren Rand der Plaza – einst Viehtränke, heute Springbrunnen – zeugt noch von dieser Zeit, als Manacor einer der größten Umschlagsplätze für Nutztiere der Insel war. Heutzutage wird die große Plaza neben dem montäglichen Wochenmarkt für Kulturevents der Stadt genutzt.
Metropole mit Flair
Noch vor ein paar Jahrzehnten wurde Manacor als Provinz-Nest von Einheimischen und ausländischen Residenten verpönt. Das ist längst vobei. Die wegen ihrer berühmten Kunstperlen-Manufakturen wie „Majoorica“ oder „Orchidea“ als Perlenstadt bezeichnete Metropole versprüht seit ein paar Jahren dank wiederbelebter Wirtschaft und öffentlichen Schönheitsmaßnahmen jede Menge City-Flair. Boutiquen, Einrichtungsgeschäfte, Kino, Theater, Bars und Restaurants laden zum Shoppen und Verweilen ein.
Doch zurück zur Plaza de Ramon Llull. Hier lädt die „Bar Es Mercat“ zur Einkehr ein. Allerdings nur diejenigen, die sich vom rustikalen Charme ur-mallorquinischer Barkultur aus Plastikstühlen, Neon-Leuchten an der Deckel und stoppelbärtiger Bewirtung nicht abschrecken lassen. Genau gegenüber liegt übrigens die Schmalzbäckerei „El Rincón del Churro“. Der Name ist Progamm. Zu kaufen gibt´s hier die besten Krapfen (Churros) der Stadt. Bon Profit!
Andreas John
Bildmaterial Andreas John