Der Schuss erwischt Gori Mayol vollkommen unvorbereitet. Gerade hat er mit seinen geschickten Fingern den dicken Tintenfisch aus dem Netz gefummelt, als dieser zum letzten Mittel greift, um sich aus den Klauen seines Angreifers zu befreien. Mit einem lauten Pfurzen spritzt die Sepia ihre schwarze Tinte über das Bootsdeck – und Goris gelbe Latzhose. Den lässt das letzte Aufbäumen des Tintenfisches völlig unbeeindruckt. Mit einem gekonnten Schwung wirft er den Tintenfisch zu seinen sterbenden Artgenossen in den großen schwarzen Gummi-Eimer. Business as usual an Bord der „Passador“.
Keine zwei Stunden zuvor, aber noch weit vor Sonnenaufgang, waren wir mit Gori Mayol und seinem Vater an Bord des knapp acht Meter langen Fischerbootes von Port de Sóller ausgelaufen. Für die beiden Mallorquiner eine tägliche Routine. „Mein Vater fährt seit mehr als 30 Jahren hinaus aufs Meer, um entlang der Tramuntana-Küste zu fischen“, erzählt Gori, der seit rund acht Jahren als Berufsfischer seine Brötchen verdient. Die Mayols zählen zu einer aussterbenden Spezie von rund einem halben Dutzend Pescadores im Port, die fast ausschließlich vom traditionellen Fischfang leben.
Fast ausschließlich deshalb, weil Gori vor ein paar Jahren eine zusätzliche Einnahmequelle entdeckt hat. Gegen Bezahlung nehmen er und sein Vater etwa dreimal pro Woche Urlauber mit an Bord, die sie auf ihrer Fahrt zu den Fanggründen entlang der Küste begleiten dürfen. Wer dabei jetzt vielleicht an eine der auf Mallorca üblichen feuchtfröhlichen Bootstouren mit Sangria, Musik und Badestopps denkt, sei gewarnt. Ein Ausflug mit der „Passador“ ist alles andere als eine Kaffeefahrt. Das fängt bereits mit dem Fehlen jeglichen Komforts an Bord an. So gibt es beispielsweise gar keine Sitzplätze an Bord. Selbst bei wenig Wellengang tut man besser daran, sich irgendwo auf die Bordkante zu hocken und an einer der Relingbefestigungen festzuklammern. Der alte Solex-Diesel unter Deck wummert zudem so herzhaft laut, dass die Planken zittern. Ausgestellt wird der Motor selbst beim Einholen der Netze nicht, was wiederum aufgrund ihrer Länge von bis zu einem Kilometer, Stunden dauern kann.
Gori und sein Vater gehören zudem nicht zu zu den redseligsten Menschen auf dieser Welt. Wenn man sie aber etwas fragt – Gori spricht sehr gut Englisch und sogar ein paar Brocken Deutsch – antworten beide stets ausgiebig. Zum Beispiel über ihren Fang, den sie über eine altertümlich wirkende Netzrolle an Bord hieven. Zwischen den endlos scheinenden Netzleinen zappeln neben Tintenfischen (Sepias), Rochen, Drachenköpfe und Langusten.
Angeblich soll sich dort auch schon einmal ein acht Meter langer Blauhai verfangen haben, behauptet Gori mit einem verschmitzten Lächeln. Eine skandinavische Familie soll ihm diese Geschichte sogar schon mal abgenommen haben.
Rund vier bis fünf Stunden dauert die Tour auf der „Passador“ bis sie gegen Mittag wieder im Hafen von Sóller einläuft. Neben einem beeindruckenden Einblick in die raue Arbeitswelt der letzten Traditionsfischer von Mallorca, dürfen Bordgäste sich über den majestätischen Anblick der zum Teil steil in den Himmel aufragenden Tramuntana-Küste erfreuen. Eine auch für Kinder wirklich einmalig und schöne Erfahrung.
Ein Ausflug mit der „Passador“ von Gori Mayol kann über die Webseite www.angeltourenmallorca.de gebucht werden. Er kostet 85,55 Euro pro Person. Kinder zahlen die Hälfte. Als kleine Stärkung gibt es ein „Pa amb Oli“ an Bord. Wer möchte, bekommt eine Angelrute in die Hand gedrückt, um selbst im Mittelmeer zu fischen.
Andreas John