Das Gold vor Cala Figuera
Das Gold vor Cala Figuera
Eine Perle und ihre (vergessenen) Schätze
Sie schimmern in allen Farben auf dem Eis: Sepia, Makrelen, Langusten und der legendäre Cap Roig sind der heutige Tagesfang von Miguel (44). Seit zwei Jahrzehnten fährt der große, bärtige Mann hinaus aufs Meer. Immer auf der Jagd nach dem „Gold“ vor Cala Figuera! Im schönsten Fischerhafen der Balearen wird der Fang sofort sortiert, gewogen und an den Großhandel verkauft. Direkt vor den Augen der Touristen. Sicher, das Leben für die Fischer ist härter geworden. Aber Miguel liebt seinen Beruf, die Familientradition: „Es ist meine Passion, mein Lebensinhalt…“
Die kleine, hölzerne Llaut (ausgesprochen „Ja Ut“) schwankt auf und ab… Der Wellengang hat deutlich zugenommen, seitdem das schneeweiße Fischerboot mit dem Leuchtturm „Far den Beu“ die Mündung des Hafens von Cala Figuera verlassen hat. Miguel, den braun gebrannten, schlanken Fischer aus dem Südosten Mallorcas, stört dies nicht. Der Fischer ist eins mit dem Meer. Die schwere Pinne des Bootes liegt ihm scheinbar spielerisch in der Hand, während er unter dem Tuckern des Dieselmotors zu einem der offiziellen Fischreviere steuert. „Früher gab es weniger Vorgaben, wo wir unsere Netze auswerfen dürfen, heute ist alles stärker reguliert“, brummt er in seinen schwarzen Bart. Jedoch ohne Zorn. Der Schutz des Meeres geht schließlich alle an. Doch die gerechte Umsetzung steht auf einem anderen Blatt.
Rund 1,5 Kilometer Netz liegen auf dem Boden des Bootes bereit – kaum ein Quadratzentimeter ist nicht mit dem feinmaschigen Gewebe bedeckt. Das gilt es aus zubringen. Mit einem gekonnten Wurf geht die erste Boje über Bord. Langsam und unter sehr kleiner Fahrt bringt Miguel das ganze Netz aus. Erst am nächsten Morgen, bei Sonnenaufgang, wird er es mitsamt seines Fanges wieder an Bord wuchten. Mit Glück holt er um diese Jahreszeit zehn Kilo Sepia (Tintenfisch) und etwa 20 Kilogramm an anderen Fischsorten aus dem Wasser. Vor fast 20 Jahren, als Miguel in die Fußstapfen seines Vaters trat, war es noch rund doppelt so viel… Überfischung und Umweltbelastungen sind der Grund, warum das Gold vor Cala Figuera immer knapper wird…
Die morgendliche Sonne spiegelt sich im türkisfarbenen Wasser, als der Leuchtturm, das heimliche Wahrzeichen von Cala Figuera, wieder in das Blickfeld gerät. Der kleine Ort ist berühmt für seinen Hafen; naturbelassen und ohne große Bausünden ist er für Miguel der schönste der Balearen. Tausende von Touristen besuchen ihn jährlich; spazieren über die Holzstege und warten auf die heimkehrenden Schiffe. Oberhalb des Hafens ist die Perle des Süd-Ostens ein wenig in die Jahre gekommen. „Hier muss mehr getan werden“, hält der Familienvater fest. Die Fischerei, der Hafen, wird immer fester Bestandteil sein. Aber: „Realistisch gesehen sind die Fischpreise gleich geblieben – doch allein der Sprit kostet ein Vielfaches mehr“. Miguel hat eine Zukunftsvision. Eine neue Form des Qualitätstourismus… Wobei „Qualität“ nicht eine Frage von Luxus sei, sondern sich nach Lebensqualität definiere. Beim Anlegen geht es schnell. Jeder Handgriff muss sitzen. Gefährlich nah kommt die „Tenassa uno“ einer anderen Llaut, doch Miguel kennt sein Boot, beherrscht das Spiel um jeden Zentimeter. Neben den kleinen liegen auch vier große Fischerboote im Hafen. Mit ihren gewaltigen Fangnetzen und – käfigen fischen sie „offshore“ in 50 bis 200 Metern Meerestiefe, also oftmals bis zu 40 Meilen vor der Küste. Bei jedem Wetter. Eine wirkliche Konkurrenz sieht Miguel in ihnen nicht: „Die fangen ganz andere Sorten, aber am Ende sind wir ja alle doch Fischer“. Montags bis freitags um ca. 17 Uhr bringen die großen Boote ihren Fang zurück nach Cala Figuera. Ein kleines Spektakel, auch für die Touristen. Leider ist Abverkauf von Bord aufgrund allerlei Gesetze vor Ort nicht wirklich gestattet, aber auf frischesten Fisch muss man in Cala Figuera nun wirklich nicht verzichten. Manchmal nimmt so das Gold von Cala Figuera tatsächlich einen Umweg über Großhändler in Palma zurück in die Küchen eines der vielen bezaubernden Restaurants des Hafenortes. Sein persönliches Rezept verrät uns Miguel zum Schluss auch noch: Goldmakrele frittiert auf Tumbet, der mallorquinischen Gemüsepfanne; also mit Paprika, Kartoffeln, Tomaten und Gewürzen versehen.
Sandra Stehmann / Oliver Scholl
Fotos Oliver Scholl